Das, was zum Magdeburger Attentäter bekannt geworden ist, scheint in keine rationale Schablone zu passen: Ein Anti-Islamist aus Saudi Arabien, ein seit zwei Jahrzehnten in Deutschland tätiger forensischer Psychiater, der sich seit einigen Jahren mit rechtsextremen Narrativen radikalisiert hat, Anhänger ist von bekannten rechten Anführern wie Elon Musk und rechtsextremen Parteien wie der AfD, macht für von ihm als Unrecht empfundenen behördliche Entscheidungen „die Deutschen“ verantwortlich und macht seine schon vor mind. einem Jahr ausgesprochenen gewalttätigen Ankündigungen wahr. Mit einer in der Art und Weise v.a. von Islamisten kopierten Attacke tötet er auf dem Weihnachtsmarkt fünf Menschen und verletzt sehr viele weitere (teils schwer).
Natürlich setzte die Motivsuche und die Motivunterstellungen in den Social Media sofort nach der Tat ein, ebenso wie viele Fehlinformationen über Tatablauf und Hintergrund, v.a. auf der Plattform „X“, deren Eigentümer und zugleich eifrigster User sich auf Grundlage geringster Informationen (ähnlich wie die Springer-Presse) sofort propagandistisch der schlichtest-möglichen Erklärung anschloss: Der Täter stammt aus dem islamistisch geprägten Staat Saudi-Arabien, dann kann ja nur Islamismus das Motiv sein. Bundeskanzler Olaf Scholz sei ein „incompetent fool“ und müsse zurücktreten, die einzige Rettung sei die AfD. Die angesprochene Partei wurde immerhin deutlich kleinlauter als sich herausstellte, dass der Täter der AfD zuneigte und auf „X“ sogar als Premium-User v.a. die Haltung von Musk und AfD verbreitete.
Aber auch die Ansicht, der Täter habe ein rechtsextremistisches Attentat begangen, hat zumindest Schwierigkeiten, Motiv und Tat in Übereinstimmung zu bringen. Natürlich ist es möglich, dass ein Attentäter einen solchen Anschlag ausführt, um die Gegenseite in Misskredit zu bringen („false flag“), aber auch dies ist allenfalls eine Theorie auf unsicherer Tatsachenbasis. Die Zuschiebung der Attacke auf die Gegenseite wäre nicht (gut) durchdacht, denn die öffentlichen Äußerungen des Täters in den Social Media und seine Ankündigungen zeigen eine zu deutliche Dissonanz zu einer rationalen Tat.
Dass bis jetzt noch kein „Motiv“ gefunden wurde, liegt aber möglicherweise gerade daran, dass es bei irrational handelnden wahnhaften Tätern eben keine Rationalität zur Erklärung ihres Verhaltens gibt. Sie handeln nach einer von außen kaum zu durchschauenden „Privatlogik“, die sich einem allgemein geteilten rationalen Zugang entzieht. Um aber den forensisch-psychiatrischen Hintergrund der Tat auszuleuchten bzw. ihn auszuschließen, dauert es deutlich länger und es ist deutlich mehr Expertise erforderlich als es die Äußerungen in Presse und sozialen Medien nahelegen.
Das bringt mich auf einen kriminologisch-phänomenologischen Beitrag im Beck-Blog, den ich vor über sieben Jahren schrieb, und der auch heute, wie mir scheint, noch Bedeutung hat. Da der Beck-Blog inzwischen abgeschaltet wurde und dessen Inhalte im Netz gelöscht wurden, möchte ich meinen damaligen Beitrag vom Oktober 2017 hier noch einmal aus meinem Archiv holen. Der Beitrag hat damals mehr als 16.000 Aufrufe und 58 Diskussionsbeiträge/Kommentaare ausgelöst.
Hier beginnt es:
Terror, Amok, Massaker – zur kriminologischen Neubewertung des Anschlags in München 2016
von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 05.10.2017
Zwei Anlässe gibt es für diesen Beitrag. Zum einen ist es das Attentat in Las Vegas, bei dem der Täter 58 Menschen tötete und einige hundert weitere verletzt hat. Eine in der Kriminalgeschichte der USA, die vergleichsweise reich ist an „Mass Shootings“, herausragend grausame und folgenreiche Tat. Zum anderen ist es die neuere Bewertung des Attentats im Münchener Olympia-Einkaufszentrum. Im Juli 2016 wurden dort neun junge Menschen erschossen.
Nicht viel verbindet die beiden Fälle, aber in beiden Fällen ist die kriminologische Einschätzung bislang unklar bzw. umstritten.
Glasperlenspiel?
Das wirft zunächst die Frage auf, warum wir überhaupt eine kriminologisch-phänomenologische Einstufung benötigen. Handelt es sich dabei nicht um ein Glasperlenspiel, um Schubladendenken, um fruchtloses Nachdenken und eine letztlich nicht nur hilflose sondern auch nutzlose und daher überflüssige Diskussion? Ist es angesichts der vielen Opfer und ihrer Schicksale nicht völlig egal, zu welchem Motiv in welche Klasse von Taten man uneindeutige Einzelfälle einordnet? Niemand wird davon wieder lebendig. Auch akute strafrechtliche Entscheidungen hängen nicht davon ab, denn die Täter sind tot, haben sich oft selbst getötet, bevor man sie festnehmen konnte oder wurden von der Polizei erschossen.
Wie Sie sich denken können, halte ich als Kriminologe das wissenschaftliche Nachdenken über und auch die Klassifizierung von solchen Straftaten für sinnvoll. Es ist ein wichtiges Ziel der Kriminologie, Straftatphänomene zu erfassen, dicht und objektiv zu beschreiben und zu klassifizieren, und dies ist wichtige Voraussetzung für Erwägungen zu Ursachen und – falls überhaupt möglich und sinnvoll – zur Prävention. Ähnlichkeiten und Unterschiede (in qualitativer wie quantitativer Hinsicht) festzustellen ist entscheidende Voraussetzung für „Fortschritte“ in der Kriminologie, die als interdisziplinäre Spezialwissenschaft besonders geeignet ist, die sozialen und die individualpsychologischen Hintergründe sowie die gesellschaftspolitischen Folgen solcher Delikte zu erfassen.
Schnell, schnell, schnell!
Aber die Kriminologie ist nicht allein mit ihrem Interesse an einer Klassifikation. Kaum gehen Nachrichten über ein solches Attentat um die Welt, werden auch schon Versuche der Klassifizierung angestellt, teilweise ohne jegliche nähere Informationen zu verarbeiten – oft reicht der Name (klingt er deutsch, amerikanisch oder irgendwie nahöstlich?) bzw. das Äußere (ist dieses irgendwie „südländisch“), um Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Medien, und dazu gehören inzwischen auch private Verbreiter von Nachrichten auf Twitter und Facebook, wollen die ersten sein, die die Motivschublade bezeichnen: islamistisch, rechtsextrem, ein Amoklauf. Es folgen kurz darauf die Ursachenvermutungen (die Bundeskanzlerin ist schuld, die Computerspiele, das Mobbing, die Nazi-Hassreden im Internet, eine psychische Störung oder Erkrankung) und kaum sind diese vermerkt (nach wie vor oft ohne jeden Hintergrund zu kennen), werden auch schon Politiker mit Präventionsvorschlägen vorstellig oder damit konfrontiert: Verbot von Computerspielen, Verschärfung von Waffengesetzen, Kontrolle des Internet, Grenzen dicht für muslimische Flüchtlinge, höhere Strafen für Vorbereitungshandlungen, bessere Polizeibewaffnung, Videoüberwachung, Metalldetektoren, alles, um irgendwie „Zeichen“ setzen, aber zugleich „cool bleiben, nicht von den Terroristen beeindrucken lassen“ etc.
Oft zu spät: Die kriminologische Analyse
Wenn die Kriminologie sich nach sorgfältiger Betrachtung meldet, ist die Tat für Medien, Politik und Öffentlichkeit meist schon (halb) vergessen, die übernächste Straftat ist in den Medien und muss kommentiert und klassifiziert werden, Wahlen sind abgehalten, neue Gesetze bereits in Kraft getreten. Die kluge kriminologische Analyse wird in Fachzeitschriften publiziert, von Kollegen gelesen und möglicherweise gelobt, aber sie wird ansonsten kaum wahrgenommen.
Und weil die Kriminologie meist spät kommt, sind die polizeilichen und politischen Einschätzungen schon festgelegt:
Jeder, der sich jetzt in den Medien äußert, gerät (auch) in den politischen Meinungskampf, wird je nach Ergebnis seiner Analyse von den Befürwortern oder Kritikern der eingeschlagenen Regierungspolitik benutzt und setzt sich Anfeindungen der jeweiligen Gegenseite aus. Ja, auch Wissenschaftler werden schon frühzeitig befragt und begehen dann entweder denselben Fehler (Schlussfolgerungen aufgrund unsicherer Datenbasis) oder es wird ihre redliche Zurückhaltung in der Bewertung als fehlende Expertise missdeutet. Natürlich haben auch Kriminologen oft schon ein bestimmtes Vorverständnis, eine rechtspolitische Grundhaltung, eine eher soziale, liberale oder konservative Meinung, sie gehören bestimmten wissenschaftlichen Kreisen, Zusammenhängen und Institutionen an, sind eher sozialwissenschaftlich, eher kritisch-kriminologisch oder eher psychologisch oder psychiatrisch orientiert. Und natürlich gibt es auch in der Kriminologie differierende Zugangsweisen, Methoden und Ansichten, die sich in den Veröffentlichungen wiederfinden. Das alles macht eine Bewertung (von innen oder außen) nicht einfacher.
Fall Olympiaeinkaufszentrum München 2016
Im Münchener Fall haben sich Polizei und bayerisches Innenministerium darauf festgelegt, der Täter sei nicht politisch-extremistisch motiviert gewesen, sein Motiv entstamme vielmehr seiner privaten, individualpsychologischen Befindlichkeit, die Ursache sei v.a. gravierendes Mobbing in der Schule, für das er sich habe rächen wollen:
„David S. war unter Gleichaltrigen weitgehend isoliert. Hierzu haben vermutlich psychische
Auffälligkeiten beigetragen, aufgrund derer es ihm schwer fiel, sich zu integrieren. Über Jahre
hinweg wurde er von Mitschülern „gemobbt“, dabei kam es auch zu körperlichen Misshandlungen. David S. entwickelte ersichtlich einen Hass auf Personen, die hinsichtlich Alter, Aussehen, Herkunft und Lebensstil den ihn mobbenden Jugendlichen ähnlich waren; dies waren vor allem Angehörige südosteuropäischer Bevölkerungsgruppen. Diese machte er für seinen von ihm empfundenen schulischen Misserfolg und das Mobbing verantwortlich. David S. schuf sich ein irrationales Weltbild. Darin befasste er sich beispielsweise mit der Vorstellung, dass die von ihm gehassten Personen mit einem Virus infiziert und deshalb ggf. zu vernichten seien. Aufgrund psychischer Störungen befand er sich wiederholt in psychiatrischer Behandlung.
In seiner Freizeit spielte David S. exzessiv am Computer, insbesondere sog. Ego-Shooter Spiele. Er
entwickelte Rachephantasien und beschäftigte sich intensiv mit dem Thema Amok. Insbesondere war er fasziniert von den Anschlägen, die Anders Breivik 2011 in Norwegen verübt hatte. Über einen längeren Zeitraum hinweg plante er dann den von ihm selbst verübten Amoklauf. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei dem Amoklauf die einzelnen Opfer gezielt ausgewählt hat. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Tat politisch motiviert war.“
(Quelle: Ermittlungen zum Münchner Amoklauf abgeschlossen, LKA 17.03.2017)
Von drei wissenschaftlichen Gutachtern kommen derzeit ganz andere Einschätzungen. Aus dem Bericht der SZ („Darum war der Tattag kein Zufall“ vom 3.10.2017):
„Das Datum ist der Jahrestag des Attentats des Rechtsterroristen Breivik, den S. als Vorbild gesehen hat. Anders als Amokläufer habe S. nicht an seiner eigenen Schule gemordet, er kannte keines seiner Opfer. Er wusste jedoch, dass am OEZ viele Menschen mit Migrationshintergrund anzutreffen sein würden. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass S. selbst iranische Eltern gehabt habe. Durch die Abwertung von Migranten habe er sich als „echter Deutscher“ beweisen können. Individuelle und politische Motive müssten sich nicht ausschließen. „Rache und Politik, Aufmerksamkeit und Mission, Amok und Terror verschmelzen“, schreibt Matthias Quent, Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena.
„Eine persönliche, individualisierte Kränkungsideologie“ mache gerade den Einsamen-Wolf-Terrorismus aus, den der Politikwissenschaftler Florian Hartleb in diesem Fall konstatiert. Die Ermittler hätten außer Acht gelassen, dass S. seine Tat lange Zeit und akribisch vorbereitet habe und dass er in seinen Augen München vor Überfremdung habe schützen wollen. Dass S. keine Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen pflegte, ist für Hartleb kein Beleg dafür, dass er kein Terrorist sei – so wie Innenminister Joachim Herrmann argumentiert. Vielmehr liege ein Fall eines Einzeltäters vor, der ohne Unterstützung einer Organisation handelt, ein Produkt der Selbstradikalisierung, ein „Einsamer Wolf“ also. Dies sei ein „seltener, wenngleich immer häufiger vorkommender Sonderfall des Terrorismus“. Dies qualifiziert die Tat bereits als Hassverbrechen. Das Kriterium der Zugehörigkeit zu einer extremistischen Gruppe sei ohnehin nicht mehr
zeitgemäß, zeige ein stark antiquiertes Verständnis der Behörden, so Hartleb. Für Matthias Quent blenden die Behörden Vorurteile und Rassismus aus. Die Opfer von David S. „wurden nicht ermordet, weil möglicherweise ihnen ähnlich sehende Personen David S. gemobbt haben, sondern weil David S. einen pauschalisierenden Hass entwickelt hat auf alle Menschen mit aus seiner Sicht spezifischen Merkmalen“. Was sei dies anderes als Rassismus – insbesondere aus Sicht der Betroffenen? Verstärkend kämen die Bezüge von David S. zum Rechtsextremismus hinzu. Dies qualifiziere die Tat bereits als ein Hassverbrechen und erfülle die Kriterien des polizeilichen Definitionssystems für rechte Straftaten. (…) Die Ermittlungsbehörden hingegen bleiben bei ihrer Einstufung, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilte: Dass S. nur Menschen mit Migrationshintergrund als Opfer ausgesucht habe, dürfte „dem persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbild der ehemaligen Mobber geschuldet sein“.“
Terror, Amok, Termok?
Der Kern der Auseinandersetzung liegt zum einen in der Rolle, die die Begriffe „Terrorismus“ und „Rassismus“ mittlerweile in der politischen Auseinandersetzung innehaben, zum anderen in der mittlerweile eingetretenen realen Verschiebung in diesem Phänomenbereich. Die Differenzierung zwischen (überwiegend) individualpsychologisch bzw. psychopathologisch zu erklärenden „Amok“-Taten einerseits und politisch-extremistisch zu deutenden „Terror“-Taten andererseits ist in einigen Fällen, darunter dem Münchener, nicht mehr klar zu treffen. Die Phänomengrenzen verwischen hier zu einem (möglichen) Zwischentypus „Termok“. Terrorismus war bis vor kurzer Zeit eindeutig als extremistisch gewalttätige Variante politischer Aktion zu werten, die mehrere Personen involvierte, die auf diesem Weg ihre gemeinsamen politischen Ziele befördern wollten. Die Taten waren zwar extrem, aber konnten in der Logik der entsprechenden Ideologie als strategisch oder taktisch sinnvoll und rational angesehen werden, zumindest in der Zielsetzung „Angst und Schrecken“ zu verbreiten oder den Staat als schwach vorzuführen bzw. als „faschistisch“ zu demaskieren. Die Amoktaten einzelner, mehrfach in Schulmassakern, aber auch in der Öffentlichkeit begangen, waren hingegen nicht ideologisch deutbar, sondern hatten Beweggründe, die man meist (retrospektiv) nur als Folge einer gestörten oder krankhaften Psyche deuten konnte, z.B. irrationale Rachegefühle, narzisstisch übertriebene Heldenbestrebungen.
Innerhalb dieser Differenzierung haben sich Polizei und Innenminister im Münchener Fall auf die Seite „Amok“ gestellt: Es gab hier keine Gruppe, in deren Namen der Täter auftrat, es gab nicht einmal (wie bei Breivik) ein rechtsextremes Pamphlet, mit dem er seine Taten rationalisierte. Die Gesinnung des Münchener Täters wurde daher als nebensächlich angesehen, da andere Indizien eher auf persönliche Rachegefühle hindeuteten. Das scheint auch einer gewissen Zurückhaltung in Bayern zu entsprechen, rechtsextremistische Taten als solche zu identifizieren (beginnend mit dem Wiesn-Anschlag 1980).
Termok
In Termok-Fällen ist aber die Differenzierung nicht mehr klar zu leisten: Die beiden Phänomene bewegen sich aufeinander zu, es gibt irrationale und zugleich politische Taten von Einzeltätern: Der psychisch unter Druck Geratene sucht sich eine Ideologie (oder nimmt die schon zuvor gehegte) und verbindet somit seine persönliche Kränkung mit der Politik. Er begreift z.B. seine Widersacher als Teil einer (durch Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung) umgrenzten Gruppe („die“ Flüchtlinge, „die“ Muslime, „die“ Ungläubigen, „die“ Schwulen, „die“ mächtigen Industriellen etc.), der er – im „negativen“ Sinne – sein persönliches Leid anlastet und an der er Rache nimmt. Oder – im „positiven“ Sinne – von der er seine „Heimat“ befreien will, weil diese Gruppen aus seiner Sicht minderwertig sind, unrein oder bedrohlich. Wer durch sein Massaker zum „Helden“ oder „Märtyrer“ werden will, hat dadurch – soweit eine passende Religion oder Ideologie ihm diesen Heldenstatus nach einem Terrorakt zu verleihen
verspricht, ein Interesse daran, sich als politischer bzw. religiöser Attentäter zu präsentieren. Für die Nachwelt ist es dann nahezu unmöglich zu bestimmen, was innerpsychisch eigentlich den Ausschlag gab.
Heldenstatus versprechen etwa jihadistische Terrorgruppen, aber auch rechts- und linksextreme Ideologien. Deshalb machen die eigentlich auf dem politischen Sektor zu verankernden terroristischen Richtungen auch dem potentiellen Amoktäter ein „Angebot“, nämlich das der Rationalisierung und damit Veredelung seiner Tat. Das ist möglicherweise ein Hintergrund, auf dem auch „einsame Wölfe“ sich ideologisch oder religiös radikalisieren und ihre Taten politisieren.
Durch die informationelle Vernetzung ist eine Radikalisierung heute nicht mehr unbedingt auf direkte Kontakte in Gruppen angewiesen, sondern kann auch allein am Computer zuhause stattfinden.
Der IS hat das erkannt und provoziert selbst (möglicherweise) einsame Wölfe zu islamistischen Anschlägen, ohne dass diese Personen organisatorisch oder logistisch in den IS eingebunden sind. Bei einigen der vom IS reklamierten und von den meisten Beobachtern eindeutig als islamistisch-jihadistisch angesehenen Taten könnte daher auch die Schablone „Amok“ passen.
Fazit
Sich widersprechende Deutungen können Resultat sein von verschiedenen Zugängen zum selben Fall, der sich einer eindeutigen Zuordnung entzieht, weil er phänomenologisch auf der Grenze zwischen Terror und Amok liegt. Die bisherige klare Zweiteilung entspricht zumindest in solchen Fällen nicht mehr der Realität.